
02.13 13
MAGAZIN
Interview Geringe Auswirkungen auf den Autoabsatz
In den Großstädten ist das eigene Auto
für viele kein Muss mehr, bestätigt der
Nürtinger Automobilwirtschaftsexperte
Diez. Der Trend sei jedoch auch langfristig kei-
ne Gefahr für das Geschäft der Autohersteller.
Herr Professor Diez, angeblich legen jün-
gere Menschen in der Stadt immer weniger
Wert auf ein Auto. Ist das wirklich ein Trend?
Da würde ich differenzieren. Auch
junge Großstädter wollen Auto fahren – darauf
deuten auch die in letzter Zeit ansteigenden
Führerscheinerwerbsquoten. Sie wollen aber
seltener als früher ein eigenes Auto besitzen.
Und warum nicht?
Autofahren ist teurer und in den
größeren Städten auch unbequemer gewor-
den. Die Kraftstoffpreise und gerade für
junge Leute auch die Versicherung sind mitt-
lerweile eine ganz schöne Belastung. Ver-
kehrsstaus sind an der Tagesordnung und
die Parkplatznot ist enorm. Dies alles lähmt
die Anschaffungsbereitschaft und macht
Alternativen attraktiv.
Zum Beispiel Carsharing-Agenturen, die
derzeit einen Boom erleben.
Zunächst betreiben junge Leute das
„private Carsharing“ und nutzen das Auto
von Eltern, Großeltern oder Geschwistern.
Aber die kommerziellen Angebote wachsen
in der Tat stark. Das gilt wohlgemerkt für
Großstädte, etwa Stuttgart, und Universitäts-
städte wie Tübingen, in denen es eine ent-
sprechende Klientel gibt. Wer auf dem Land
oder in der Kleinstadt lebt, hat nach wie vor
wenig Alternativen zum eigenen Auto.
Leidet nicht die Autoindustrie, wenn im-
mer mehr Menschen auf den eigenen Wagen
verzichten? Warum mischen dann Hersteller
wie Daimler selbst im Carsharing mit?
Die Autohersteller wissen, dass die
negativen Auswirkungen auf ihr Kerngeschäft
sehr begrenzt sind. Angebote wie Car2go er-
reichen vor allem Kunden, die bisher kein ei-
genes Auto hatten. Außerdem werden Autos
in einem Wagenpool stärker genutzt und müs-
sen dementsprechend früher ersetzt werden.
Eine Modellrechnung unseres Instituts hat
ein Kannibalisierungspotenzial von 40 000 bis
90 000 Fahrzeugen im Jahr ergeben
–
bei ei-
nem Markt von mehr als drei Millionen.
Wenn die Auswirkungen so überschau-
bar sind, ist es aber auch mit den erhofften
Umwelteffekten nicht weit her.
W
as den CO
2
-Ausstoß betrifft, soll-
te man in der Tat nicht zu viel erwarten. In
dieser Hinsicht macht es keinen Unter-
schied, ob man mit dem eigenen oder einem
geliehenen Auto fährt. Anders sieht es aus,
wenn die Carsharing-Flotten mit Elektro-
fahrzeugen bestückt werden. Dann können
sie als Türöffner für die Elektromobilität wir-
ken. Nutzer, die noch zögern, sich ein eige-
nes Elektroauto anzuschaffen, erhalten so
die Gelegenheit, sich mit der neuen Technik
vertraut zu machen.
Die Kombination verschiedener Ver-
kehrsträger scheint immer selbstverständli-
cher zu werden. Werden damit alte Visionen
der Verkehrswissenschaft wahr?
Diese Ideen gibt es tatsächlich schon
seit mindestens 30 Jahren. Um aber wirklich
bequem zwischen Stadtbahn, Auto oder E-
Bike hin- und herwechseln zu können,
braucht man eine Technologie, die mobil ver-
fügbar ist. Die gibt es erst seit kurzem in Form
der Smartphones und Tablet-Computer.
Direktor des Instituts für
Automobilwirtschaft (IFA)
der Hochschule Nürtin-
gen-Geislingen
Foto: Thinkstock
Kommentare zu diesen Handbüchern